Warten ist nicht nur Geduldssache

Ei Gude wie
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Und schon wieder ist bald ein Jahr um. Ich habe das Gefühl, die Zeit saust im Sauseschritt und wir, wir sausen mit.

Sie kennen das Gedicht von Wilhelm Busch? „Eins, zwei, drei! Im Sauseschritt läuft die Zeit; wir laufen mit.“ Ja, mir kommt das gefühlt so vor, als würde die Zeit wirklich schnell vergehen. Das ist aber nur gefühlt so. Die Zeit vergeht im Sekundentakt und der ist immer gleich. Nur, es kommt auf die Situation an. Manches dauert auch, wieder gefühlt, ewig.

Für mich zum Beispiel ist die Zeit des Wartens eine echte Herausforderung. Da vergeht die Zeit sehr langsam. Für mich ist Warten Schwerstarbeit. So rufe ich auch meist, wenn ich aufgerufen werde: Herr Müller bitte! „Hier bei der Arbeit!“ Denn, wer wartet schon gerne. Es werden immer weniger. Die Ungeduldigen sind auf dem Vormarsch. Und wir „Normalen“ müssen aufpassen, dass wir nicht unter die Räder kommen. Ich sag' Euch, das kann nerven. Es ist egal wo, Vordrängler gibt es überall. Ja, Schlange stehen muss nicht sein. Wenn aber viele zur gleichen Zeit beim Bäcker ihre Brötchen holen wollen, kommt es unweigerlich zu Staus. Wir kennen das alle vom Straßenverkehr. Neulich da hat sich wieder so eine Dränglerin vorgedrängelt. Sie posaunte wiederholend den Satz: „Ich muss schnell wieder Nachhause, meine Tochter ist krank!“ Das Wort Danke fehlt im Vokabular dieses Menschen. Schwupp, verließ Sie den Laden und verschwand. Nein Sie verschwand nicht. Sie unterhielt sich angeregt mit einer Frau, wohl eine Bekannte, vor dem Laden. Als ich das Geschäft 15 Minuten später verließ tratschte Sie immer noch angeregt. Sie waren dabei sehr laut. Ich konnte auch ohne Hörgeräte sehr gut mithören. Ihre Ehemänner waren das Hauptthema. Beide wohl sehr faul. Die „Armen“ müssen alle Arbeiten erledigen. Dass die Beiden dabei einen Parkplatz blockierten, sei hier nur am Rande erwähnt.

Ja, da wird gelogen, dass sich die Balken biegen. In diesem Fall musste die Tochter herhalten. Meine Hörgeräte lasse ich beim Einholen schon lange weg. Auch die Brille. So sehe und höre ich weniger, habe also beim Warten in der Schlange mehr Ruhe. Es ist schon eine Weile her, da stand ich beim Metzger in der Schlange noch vor dem Laden bei offener Türe. Mit Brille und Hörgerät konnte ich weit sehen und hören. Zwei Damen in der ersten Reihe unterhielten sich wohl über mich. Folgenden Dialog konnte nicht nur ich vernehmen: „Sag mal ist das dahinten nicht der Müller?“ Antwort: „Ja!“ Nächste Ansage: „Ich dachte der hat Krebs?“ Nächste Antwort: „Ja, der hat Krebs!“ Und weiter: „Nein, der hat kein Krebs, sonst wäre der schon längst Tod. Das ist ein Simulant!“ Worauf ich der Verkäuferin freundlich mit den Worten: „Hallo, ich bin wieder da, mir neuer Brille und Hörgerät, ich kann da vorne alles sehen und hören!“, winkte. Darauf war das Duo dann still.

Ja, Warten kann Schwerstarbeit sein. Es erfordert viel Disziplin und Anstand. Es ist aber noch lange kein Grund, unhöflich und pampig zu werden. Respekt und Wertschätzung sind gefordert. Wo sind die Beiden nur? Unsere Gesellschaft scheint zu verkommen. Ich finde das ausgesprochen schade. Denn mit Freundlichkeit und Höflichkeit kommt man viel besser durchs Leben. So wie es in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Ich füge noch ein Indisches Sprichwort hinzu: „Das Lächeln, das Du aussendest, kehrt zu Dir zurück!“ Ich wünsche noch eine schöne Zeit. Ei Gude, wie!

Zum Autor

Er sei ein waschechter Neuenhaßlauer, sagt er von sich selbst. Helmut Müller (71) ist in Neuenhaßlau als 4. von 7 Kindern geboren und ein typisches Nachkriegskind dazu. Seine Mutter Hessin und evangelisch, sein Vater Sudetendeutscher und katholisch, aber kein Flüchtling, sondern Kriegsgefangener, der nicht in seine angestammte Heimat zurückkonnte. Er wächst in einem 4 Generationen Haus mit den Eltern, sechs Geschwistern, Oma und Opa sowie Onkel und der Ur-Großmutter auf. Der Spielplatz war die Straße. In der Volksschule, die er mit dem Hauptschulabschluss beendete, war deutsch seine erste Fremdsprache, die er lernen musste. In späteren Jahren hat er seine mittlere Reife und das Fachabitur für Wirtschaft und Verwaltung nachgeholt und das Ganze als Diplom Verwaltungswirt (FH) abgeschlossen. Er war in etlichen Vereinen aktiv. Man könnte ihn getrost als „Vereinsmeier“ bezeichnen. Er hat dabei fast alle Positionen, die ein Vorstand hat, begleitet. Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!



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