Heilsberger Frauen erinnern sich: Alltag und Leben in der Nachkriegszeit

Myriam Gellner interviewt Zeitzeugin Edith Samulowitz über ihr Leben als junges Mädchen am Heilsberg in der Nachkriegszeit. Foto: Heilig Geist Bad Vilbel

Heilsberg
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Im Jubiläumsjahr „75 Jahre Heilsberg“ findet bis in den Herbst hinein einmal im Monat einen Gesprächsabend mit Zeitzeug*innen aus der Anfangszeit des Heilsbergs statt. Jüngst war das Thema „Stadtteilgeschichte aus der Perspektive von Frauen.“

Myriam Gellner, Leiterin der Geschichts-AG des Jubiläums, führte in die Thematik ein und leitete dann das Gespräch mit Edith Samulowitz.  Frau Samulowitz, heute 84 Jahre alt, lebt seit 1948 auf dem Heilsberg. Im Gespräch wurde deutlich, wo und wie Frauen in der Nachkriegszeit am Aufbau des Stadtteils beteiligt waren und welche Möglichkeiten junge Frauen damals hatten. "Unserem Vater war eine Berufsausbildung seiner Töchter immer wichtig“, führte Samulowitz aus. „Wir sollten auf eigenen Füßen stehen und nicht nur auf die Sicherheit einer Ehe bauen. Ich durfte eine Lehre im nahegelegenen Frankfurt absolvieren." Wie sehr sich die Gepflogenheiten damals und heute unterscheiden, wurde im weiteren Verlauf deutlich: Freizeitangebote und Schulklassen waren damals nach Geschlechtern getrennt. Für Mädchen gab es die kirchliche Mädchengruppe, sowie Musik- und Sportkreise. „Selbstverständlich hatte man als Mädchen auch bei Haus- und Gartenarbeit zu helfen, wenn nicht sogar schwere Arbeiten bei nahegelegenen Bauern in der Landwirtschaft auszuüben“, erklärte Samulowitz.

Myriam Gellner war es ein Anliegen, die Rolle von Frauen in den Jahren nach Kriegsende zu beleuchten:. „Dokumente zeigen oftmals ausschließlich Männer auf Baustellen bei der handwerklichen Aufbauleistung. Dabei wissen wir um die Trümmerfrauen und ihr Tun beim Aufräumen zerstörter Städte. Auch um den Haushalt, Kinder, sowie Alte und Kranke kümmerten sich Frauen. Dennoch blieben Frauen und ihre Leistungen meist im Hintergrund. In der Überlieferung fehlt oftmals auch das Schicksal alleinstehender Frauen und Kriegswitwen, sowie älterer Frauen, die als [nicht blutsverwandte] Großmütter zur Kinderbetreuung in Haushalte gingen. Zusätzlich waren viele Frauen damals berufstätig und leisteten so einen teils überlebenswichtigen Beitrag zur Haushaltskasse. All das wollte ich wieder ins Bewusstsein bringen.“

Einen Einblick in den Alltag sowie den allgegenwärtigen Spagat zwischen Hausarbeit, Erwerbsarbeit und Freizeit erhielt Gellner bei der Durchsicht historischer Dokumente. Insbesondere alte Ausgaben der früheren Stadtteilzeitung "Heilsberger Nachrichten", enthielten Hinweise, die für uns heute ungewohnt klingen. Beispielsweise gab es einen Aufruf an Großmütter, sich doch mittels Näharbeiten beim Ausbessern der Kleidung von Kriegswaisenkindern im „Boyscamp Germany“ zu engagieren. Beim Lesen bemerkte Gellner auch Hinweise auf sehr frühe Öffnungszeiten des Kindergartens. Mit Blick auf berufstätige Mütter, von denen viele nach Frankfurt am Main fuhren, öffnete dieser schon ab 7 Uhr. Aufgefallen sind ihr auch Einladungen zum Frauenhilfe-Gruppentreff, bei dem ein Austausch untereinander, sowie Vorträge und kleine Ausflüge geboten wurden.

"Es waren Frauen wie die Pfarrersgattin Frau Freudenberg, die Gemeindeschwester Lydia Heil, sowie verschiedene Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen und in den unterschiedlichen Vereinen aktive Bürgerinnen, die mit ihrem Tun die Aufbauzeit und das soziale Leben am Heilsberg in den Jahren nach dem Krieg mit prägten. Ihnen ein Gesicht und eine Stimme zu geben war mir wichtig", so Myriam Gellner zum Abschluss des Abends.

Die nächste Veranstaltung "Zeitzeugen*innen im Gespräch" findet am Mittwoch, den 20. September, um 19 Uhr im Jubiläumstreff am Hochhaus statt. Der Schwerpunkt wird auf der „Jugendhilfe Heilsberg“ liegen. Durch den Abend führt Burkhard Fiebig, langjähriger Vorstand der Möwe Jonathan e.V.  Zusammen mit Zeitzeugen*innen wird er den Bogen vom direkt nach Kriegsende gegründeten „Boys Camp Germany“ bis zur heutigen Arbeit der Jugendhilfeeinrichtung „Möwe Jonathan“ schlagen. Der Eintritt ist kostenfrei.



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