„Rote Karte“ für Gesundheitspolitik

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Vor der Bundestagswahl erhöhen Beschäftigte aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen den Druck.

Mit einem bundesweiten Aktionstag zum Internationalen Tag der Pflegenden am Mittwoch (12. Mai 2021) wollen sie ihren Forderungen nach einer bedarfsgerechten Personalausstattung und flächendeckend angemessener Bezahlung Nachdruck verleihen. „Es müssen dringend die richtigen Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen in der Pandemie für das Gesundheitswesen gezogen werden. Die bisherigen Beschlüsse sind völlig unzureichend, von Entlastung ist in Kliniken und Pflegeheimen nichts zu spüren – im Gegenteil“, sagt Georg Schulze, Landesfachbereichsleiter Gesundheit bei ver.di Hessen.

„Die Beschäftigten in den Kliniken sind erschöpft. Sie arbeiten seit Monaten am Anschlag, um die Menschen in der Pandemie bestmöglich zu versorgen.“ Auch in der Altenpflege sei die Lage angesichts der Personalnot weiterhin extrem angespannt, berichtet Matthias Dippel, Betriebsratsvorsitzender im Klinikum Kassel: „Die beruflich Pflegenden brauchen jetzt das Signal, dass sich die Bedingungen schnellstmöglich und dauerhaft verbessern. Doch der Bundesgesundheitsminister spielt weiter auf Zeit.“

So habe Jens Spahn (CDU) zuletzt zwar etliche Gesetzesinitiativen vorgelegt, an den entscheidenden Stellen blieben diese jedoch weit hinter dem Notwendigen zurück, ergänzt Schulze. Weder in der Kranken- noch in der Altenpflege würden bedarfsgerechte und bundesweit einheitliche Personalvorgaben schnell auf den Weg gebracht. „Der von Spahn vorgelegte Entwurf zur tariflichen Bezahlung in der Altenpflege löst nicht das Problem, er muss erheblich nachgebessert werden“. Der Minister erwecke zwar den Eindruck, er wolle eine tarifliche Bezahlung in der Altenpflege sichern. Das sei aber nicht der Fall. Nötig sei die uneingeschränkte Anerkennung von in der Branche relevanten Flächentarifverträgen, wie des Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, TVöD, der in kommunalen Altenpflegeeinrichtungen gilt. Damit höhere Löhne nicht auf Kosten der Bewohnerinnen und Bewohner gehen, plädiert ver.di für die sofortige Deckelung der Eigenanteile und perspektivisch für die Übernahme aller pflegebedingten Kosten durch die Pflegeversicherung.

Auch in Bezug auf die Überlastung des Pflegepersonals in Krankenhäusern ist keine Lösung in Sicht. „Mit der PPR 2.0 liegt seit Januar 2020 ein Instrument zur Personalbemessung in der Krankenhauspflege auf dem Tisch“, erläutert Matthias Dippel. »Doch statt es nach 16 Monaten endlich in Kraft zu setzen, möchte Spahn die Beschäftigten weiter vertrösten, mindestens bis 2025. Das geht überhaupt nicht!“ Er verweist auf eine aktuelle Befragung, wonach fast jede dritte Pflegekraft in Intensivstationen, Notaufnahmen und Rettungsdiensten ihre Stelle in den kommenden zwölf Monaten aufgeben will.

ver.di beklagt auch die aktuelle Situation der Pflegeausbildung in Zeiten der Pandemie. „Von vielen Auszubildenden hören wir schon jetzt, dass sie nicht beabsichtigen, nach Abschluss ihrer Ausbildung in der Pflege zu bleiben“, berichtet ver.di-Jugendsekretärin Anna Kaufmann. Die Pandemie habe bereits bestehende Missstände in der Ausbildung in den Pflegeberufen noch deutlicher aufgezeigt. Obwohl der Pflegeberuf einer der Berufe mit dem höchsten Ansehen in der Bevölkerung sei, war dies -vom anfänglichen Applaus abgesehen- von den Pflegenden nicht zu spüren gewesen. Die im Pflegeberufegesetz an sich vorgeschriebene Praxisanleitung von Auszubildenden bleibe in vielen Fällen wegen Überlastung der ausgebildeten Pflegekräfte auf der Strecke. „Bundesregierung und Arbeitgeber stehen in der Verantwortung, die Flucht aus den Pflegeberufen durch bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen zu stoppen“, fasst Georg Schulze zusammen, „die Beschäftigten zeigen der Gesundheitspolitik, die viel versprochen aber keine Entlastung gebracht hat, zum Tag der Pflegenden auch in Hessen die rote Karte.“



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