IHK: Schwaches Licht am Horizont

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Die anhaltenden Herausforderungen durch den Ukraine-Krieg und nach der Corona-Pandemie konnten eine Reihe von Unternehmen besser auffangen, als sich dies noch im Herbst 2022 abzeichnete.

In der diesjährigen Frühsommer-Konjunkturumfrage notierte der Klimaindex im IHK-Bezirk bei 101,2 Punkten. Noch im Herbst 2022 hatte der Index einen Rekord-Tiefpunkt von 74,4 Punkten verzeichnet. Die Zunahme signalisiert einen Anstieg über die Zufriedenheitsschwelle von 100 Punkten, ab der eine positive Gesamtstimmung zu verzeichnen ist. Damit liegt die Stimmung im Bezirk der IHK Gießen-Friedberg nahezu gleichauf mit dem hessischen Durchschnitt. Hessenweit liegt der Konjunkturklimaindex bei 103,2 Punkten. Der IHK-Konjunkturklimaindex ermittelt die Lagebeurteilung und die Erwartungen an die zukünftige Geschäftslage. An der Frühsommerumfrage der IHK Gießen-Friedberg zwischen April und Mai 2023 haben knapp 300 Betriebe teilgenommen. 32 Prozent der Betriebe bewerten ihre gegenwärtige Lage als gut, knapp 43 Prozent schätzen sie als befriedigend ein, 25 Prozent dagegen als schlecht. In der Befragung zum Jahreswechsel war das Stimmungsbild etwas negativer ausgefallen.

Engpass-Management wegen hoher Kosten - Gründe für den zaghaften Optimismus sind anziehende Exporte sowie nachlassende Lieferengpässe. Mit der jüngsten Erhöhung der Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte Anfang Mai hat die Europäische Zentralbank zudem deutlich Tempo bei der Anhebung der Leitzinsen rausgenommen. Noch im März waren die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte gestiegen.
Ein breiter Aufschwung, der sich durch eine stabile Inlands- und Auslandsnachfrage, Entspannung auf dem Arbeitsmarkt sowie anziehende Investitionen auszeichnet, ist jedoch nach wie vor nicht absehbar. Im Gesamtbild verharren die Unternehmen auf der Stelle und bekämpfen in erster Linie akute Probleme wie den Fachkräftemangel und die hohen Energiekosten. Dadurch werden zu viele Ressourcen gebunden, sodass das Tagesgeschäft viel zu oft auf ein Engpass-Management hinausläuft.

Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko - Größtes Geschäftsrisiko quer durch alle Branchen sind die hohen Energie- und Rohstoffpreise. Rund 64 Prozent der Befragten bewerten sie in der Frühsommer-Befragung als ein Risiko für ihre Geschäftsentwicklung im Vergleich zu rund 70 Prozent zum Jahreswechsel. „Die im internationalen Vergleich weit überdurchschnittlichen Strompreise belasten alle Unternehmen. Eine wirksame Maßnahme zur Entlastung der Betriebe wäre die Absenkung der Stromsteuer und anderer Abgaben“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Matthias Leder. Die DIHK hat mit dem Modell Steuervergünstigungen und Direktlieferverträge einen Gegenentwurf zum Vorschlag eines Industriestrompreises des Bundeswirtschaftsministeriums geschaffen. Mit dem DIHK-Modell würden alle Unternehmen und nicht nur eine kleinere Anzahl entlastet werden.

Fachkräftemangel ist Dauerthema - Fachkräftemangel und Inlandsnachfrage bleiben ebenfalls ein Dauerthema für die Betriebe. Jedes zweite Unternehmen sieht darin ein Geschäftsrisiko. Es zeigt sich immer deutlicher: Arbeitskräfte sind knapp geworden. Allerdings hat die Dynamik in Bezug auf die offenen Stellen im Bezirk der Arbeitsagentur Gießen, der den Landkreis Gießen, den Vogelsberg- und den Wetteraukreis umfasst, leicht nachgelassen. Gegenüber März sind im April 114 offene Stellen weniger gemeldet worden. Im Vergleich zum gleichen Monat im Vorjahr waren es 384 Stellen weniger.
Die Anzahl der Arbeitslosen stieg im April leicht, die Arbeitslosenquote blieb im Vergleich zum März 2023 unverändert bei 4,8 Prozent (Vorjahresmonat: 4,2 Prozent). „Bei der dualen Ausbildung zeichnet sich ein positiver Trend ab. Die Betriebe sind sehr engagiert in der Ausbildung und das Niveau der Ausbildungen ist hoch. Im IHK-Bezirk zeigte sich das durch das sehr gute Abschneiden unserer Auszubildenden. Wir konnten vier Landes- und eine Bundesbeste verzeichnen“, unterstreicht IHK-Präsident Rainer Schwarz. Mit den neu geschaffenen Beratungsstellen für Inklusion und Passgenaue Besetzung sowie der Willkommenslotsin unterstütze die IHK die Betriebe zudem bei der Gewinnung von Fachkräften.

Alarmstufe Rot bei Apotheken - „Sehr problematisch ist die Lage aktuell für Apotheken. In Gießen mussten in den vergangenen fünf Jahren neun Apotheken schließen. Die letzte Honorarerhöhung auf verschreibungspflichtige Medikamente liegt 19 Jahre zurück, Preiserhöhungen können die gestiegenen Kosten bei Weitem nicht decken“, schildert IHK-Hauptgeschäftsführer Matthias Leder die besorgniserregende Lage in diesem Wirtschaftszweig. Die Preiserhöhungen der Arzneimittel und die damit gestiegenen Kosten von Arzneimitteln im Gesundheitssystem würden sich nicht auf die Ergebnisse der Apotheken auswirken. Apotheken würden einen festen Betrag für die Abgabe eines Medikaments erhalten, unabhängig von dessen Preis. Gerade auch in diesem Sektor ufere der bürokratische Aufwand aus. Zudem sei die zusätzliche Arbeitsbelastung durch die Nichtlieferbarkeit von Medikamenten immens.
Dass die künftige Landesregierung den Abbau von Bürokratie vorantreibt, erwarten die Betriebe – und das wäre ein immens wichtiges Signal für bessere Rahmenbedingungen. Was den Unternehmen ebenfalls sehr wichtig ist, ist die zukunftsfähige Ausstattung an den Berufsschulen. Knapp 90 Prozent geben an, dass die zukünftige Landesregierung eine exzellente digitale Ausstattung sicherstellen sollte. Ebenso wichtig sei eine praxisnahe berufliche Orientierung an Schulen. Lediglich rund jedes zehnte Unternehmen ist mit der gegenwärtigen Situation zufrieden. „Der Staat muss seinen Beitrag leisten, damit eine der wichtigsten Stützen unserer Wirtschaft – die duale Ausbildung – bestmöglich ausgestattet ist“, fordert IHK-Präsident Rainer Schwarz. Für die Einrichtung einer „Zentralen Ausländerbehörde“ spricht sich rund jedes zweite Unternehmen aus. Davon erhoffen sich die Betriebe eine Verbesserung bei der qualifizierten Zuwanderung. Vier von zehn Betrieben sind unzufrieden mit den Fortschritten, die bislang erreicht wurden. Ebenfalls ein Manko, das stark verbesserungswürdig ist, ist der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Zwei von drei Betrieben bemängeln die Verkehrssituation, sieben von zehn fordern den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.

Industrie braucht Fläche im Landkreis Gießen - Im Landkreis Gießen äußert sich insbesondere die Industrie optimistisch. Sie verzeichnet einen Klimaindex von 128 Punkten, also deutlich über der Zufriedenheitsschwelle von 100 Punkten. Jeder fünfte Industriebetrieb will mehr investieren, 25 Prozent planen allerdings auch, ihre Investitionen zurückzufahren. Mit Blick auf die zukünftige Landesregierung fordern die Industriebetriebe, dass der Flächenbedarf der Wirtschaft bereits auf Planungsebene angemessen berücksichtigt werden sollte. In der Baubranche ist die Stimmung dagegen mehr als getrübt. Die Aufträge im Wohnungsbau sind deutlich zurückgegangen, ebenfalls die Baugenehmigungen, wie der Zentralverband Deutsches Baugewerbe mitteilt. Diese Entwicklung wirkt sich auch im Landkreis Gießen aus. Dort liegt der Bau-Klimaindex lediglich bei 75 Punkten. Hohe Preise und steigende Zinsen haben das Wachstum in der Baubranche stark beeinträchtigt. Durch das knappe Angebot an Bauland verharren die Preise auf hohem Niveau. Das Marburger Amt für Bodenmanagement stellt einen seit Mitte 2022 anhaltenden Rückgang der Transaktionen im Landkreis Gießen fest. Bauen ist zum Luxus geworden. Die Branche reagiert mit einem Abbau von Beschäftigten und weniger Investitionen. Auch verzeichnet sie einen Anstieg der Forderungsausfälle, was zusätzlich Sorgen bereitet.

Leichter Aufschwung im Vogelsberg - Mit einem Saldo von 15 Punkten zeigt sich, dass die aktuelle Geschäftslage im Vogelsbergkreis deutlich günstiger eingeschätzt wird als noch zu Jahresbeginn. Damals betrug der Saldo –1,5 Punkte. Der Wert drückt die Differenz zwischen einer guten und einer schlechten Geschäftslage aus. Allerdings überwiegen beim Blick in die Zukunft die Pessimisten. Knapp jedes dritte Unternehmen befürchtet eine Verschlechterung.
Im Dienstleistungssektor konnten die Herausforderungen der Krise gut bewältigt werden. Mit einem Klimaindex von knapp 121 Punkten liegt die Branche vorn im Vogelsberg. Über 46 Prozent der Dienstleister wollen mehr investieren, rund 15 Prozent die Beschäftigung ausweiten. Aktuell braucht es dafür im Vogelsberg noch einiges an Geduld. Die durchschnittlichen Vakanzzeiten lagen im April bei 156 Tagen und zählten damit hessenweit mit zu den längsten Zeiten, wie der Hessische Regionaldatenreport vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) aufzeigt. Allerdings unternimmt die Region laut IWAK auch besonders intensive Anstrengungen für die Fachkräftesicherung. Eine Aktion ist die Zukunftswerkstatt, zu der die Wirtschaftsförderung des Vogelsbergkreises kürzlich verschiedene Akteure, darunter auch die IHK, eingeladen hatte. Insbesondere die duale Ausbildung soll gestärkt werden, wie zum Beispiel durch Aktionen wie die „Tage der Ausbildung“. Inklusion und das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland sind weitere Lösungsansätze, die der Kreis verfolgt.

Schwierige Lage für Logistiker im Wetteraukreis - In der Wetterau ist die aktuelle Geschäftslage unter den Bauunternehmen aktuell noch gut, der Blick in die Zukunft aber sehr getrübt. Mehr als jedes dritte Unternehmen erwartet einen Umschwung und damit eine schlechtere Geschäftslage. Kein Bauunternehmen geht von einer Verbesserung aus. Bei allen Unternehmen im Wetteraukreis hat sich die Stimmung mit einem Klimaindex von 101 Punkten im Vergleich zum Jahreswechsel (knapp 94 Punkte) leicht verbessert. Gut bewertet wird die Lage insbesondere von den Industrieunternehmen mit 105 Punkten. Investitionsgüterproduzenten verzeichnen mit über 146 Punkten eine besonders positive Geschäftslage. Die hohen Energie- und Rohstoffpreise werden von den Betrieben zwar auch bemängelt, der Fachkräftemangel stellt aber ein größeres Risiko für die geschäftliche Entwicklung dar und steht damit an erster Stelle. In der Logistik geben acht von zehn Betrieben an, dass sie vor großen Schwierigkeiten stehen, ihre offenen Stellen zu besetzen. Die Branche kämpft zudem mit zunehmenden Forderungsausfällen. Unzufrieden äußerten sich die Logistiker durchweg mit der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen. Eine Reihe von Gerichtsverfahren hat geplante Logistikhallen in Berstadt und Grund-Schwalheim aufgehalten. Der Bedarf an zusätzlichen Gewerbeflächen ist nach wie vor sehr hoch.



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