Saisoneröffnung der Grube Fortuna

Gruppenbild vor dem Stollenmundloch (v.l.): Michael Volkwein, Matthias Baum, Chris Freiling, Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich, Dietmar Czichowlass, Ralf Ukleja und Claus Morgenstern.

Landkreis Gießen
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Die Grube Fortuna ist ein Erlebnis vor der mittelhessischen Haustür, das es so europaweit kein zweites Mal gibt. Dem Eisenerz auf der Spur, geht es in dem Besucherbergwerk mit dem originalen Förderkorb bis zu 150 Meter in die Tiefe und sind Maschinen aus dem Bergbau live zu erleben. Sei es die einstündige Gruben- oder vierstündige Wetterüberhauentour: nach der Winterpause ging es kürzlich wieder in den Besucherbetrieb.

Das ist aber nur möglich, wenn die zuständige Bergbehörde das gesamte Besucherbergwerk beanstandungsfrei abgenommen hat. In dem Fall ist das das Regierungspräsidium Gießen. Dessen Präsident Dr. Christoph Ullrich begleitete die Abnahme, von der Prüfung der Unterlagen bis hin zum finalen sehr feuchten Aufstieg durch einen 100 Meter hohen Schacht über 20 Leitern.

Ralf Ukleja war selbst unter Tage. Als Kind des Ruhrgebietes hat er seine ersten bergmännischen Erfahrungen im Steinkohlebergbau gesammelt. Nach dem Bergbaustudium und dem anschließenden Referendariat führte es ihn 1992 nach Hessen, zum damaligen Bergamt in Weilburg. Seit über 25 Jahren ist er in dem Dezernat Bergaufsicht des Regierungspräsidium Gießen tätig. „Glück auf“, tönt es ihm und dem Regierungspräsidenten beim Betreten des Zechenhauses entgegen. Es ist deutlich spürbar, dass Matthias Baum, Dietmar Czichowlass, Claus Morgenstern, Achim Schönberger und Michael Volkwein vom gemeinnützigen Trägerverein Geowelt Fortuna e. V. der Eröffnung mit Spannung entgegensehen. Zur Abnahme, die nach mehr als einer dreimonatigen Betriebspause notwendig ist, dreht sich zunächst alles um Unterlagen, wie Prüfbescheinigungen für Anlagenteile, TÜV-Berichte zur wiederkehrenden elektrischen Prüfung sowie die Abnahme der Seilfahrtanlage durch die DMT, einer Tochter des TÜV Nord.

„Zeigen Sie mir doch mal das Betriebsbuch“, lautet das erste Anliegen von Ralf Ukleja. Am 9. März war bereits der Sachverständige für die Schachtrevision vor Ort gewesen, erfährt er. Auch die Abnahme des Elektrosachverständigen liegt vor, genauso wie die Teilnehmerliste der vorgeschriebenen Notfallübungen, Fluchtwegbefahrungen und Erste-Hilfe-Schulungen. Der Ordner ist voll und die Unterlagen sind einwandfrei geführt.

Dann geht es richtig los, allerdings erst einmal in die Höhe und nicht in die Tiefe. Das Fördermaschinenhaus befindet sich etwa 200 Meter oberhalb des Zechenhauses. Dort ist Chris Freiling der hauptamtliche Fördermaschinist, der von seinem Fahrstand aus mit mehreren Hebeln den Förderkorb im Schacht unter sich nach oben und unten bewegt. Über die mannshohe Fördermaschine rollt das mehr als daumendicke, geschmierte Förderseil. Das wird täglich kontrolliert, weil es besonders schwere Lasten sicher zu tragen hat. Die originale Technik früherer Industrietage aus dem Jahr 1958 funktioniert präzise und zuverlässig. Dafür sorgen auch zig Sicherheitsmechanismen, von der Kommunikation über Funk bis zur elektronischen Sicherheitsschranke im Förderkorb selbst.

Der steht als nächstes auf dem Programm. Schnell lernt der unwissende Besucher, dass Bergleute ein spezielles Vokabular haben und dass der Eingang neben dem Zechenhaus, über dem „Gott segne den Bergbau“ prangt, Stollenmundloch heißt. Der Stolz einer jahrhundertealten Zunft hat sich in die Sprache eingegossen. Hinab geht es mit dem Förderkorb zunächst auf eine Tiefe von 100 Meter, ein Bereich, der zu den Extra-Touren gehört. Auch hier hat der Mann von der RP-Bergaufsicht an der einen oder anderen Stelle noch Detailfragen, die versiert beantwortet werden. Insgesamt 32 Kilometer lang sind die Strecken auf den fünf Sohlen des Bergwerks.

Dann geht es um weitere 50 Meter in die Tiefe zum Haupt-Besucherbereich, wo die Gruppe zunächst den Weg einer klassischen Grubentour zurücklegt. Ralf Ukleja hat vor allem ein Auge auf Details wie Absturzsicherungen in links und rechts steil hinabführende sogenannte Rolllöcher. „Die verschiedenen Touren sollen dem Besucher einen authentischen Eindruck des früheren Bergbaus vermitteln, aber zugleich sollen zum Beispiel die Sicherungen bei einem vernunftbegabten Menschen dafür sorgen, dass er nicht hinabstürzen kann“, sagt er.

Auf der Grubenbahn führt der Weg fast einen halben Kilometer weiter bis in den Nordlagersattel in den Berg hinein. Während des Rundgangs zeigt sich ein Museum unter Tage mit Werkzeugen vor allem aus dem 20. Jahrhundert, vom handlichen Bohrer bis zum dieselbetriebenen Fahrlader. Am Querschlag 2 watet die Gruppe knietief durch Wasser, auf Schienen balancierend. Hier und da hängen kleine Tropfsteine herab. Feuchtigkeit ist immer ein Thema im Bergbau. Nicht umsonst ist die Grube Fortuna einer der größten Trinkwasserlieferanten der Stadt Wetzlar.

Längst liegt die klassische Besucherroute einen Kilometer weit zurück. Ralf Ukleja kontrolliert die in einer Nische platzierte Trage und Erste Hilfe-Koffer. Ziel der Abnahme ist das im Jahr 1981 von der 100 Meter-Sohle aus aufgefahrene sogenannte Wetterüberhauen im Dernbachtal. Dieses dient neben der Wetterführung heute mit seinen 20 Leitern insbesondere auch als Abschluss der Wetterüberhauentour sowie als Flucht- und Rettungsweg.

Auf dem Weg dahin über diverse Strecken und Fahrten (Leitern) und am Magnetitlager vorbei erhält der besondere Besucher seltene Einblicke in die mittelhessische Industriegeschichte und darf sogar einen der ansonsten gesperrten, hallenartigen Abbauräume hinabgehen, in denen zuletzt in den 80er-Jahren schwere Diesel-Radlader das Erz abtransportiert hatten.

Körperlich anspruchsvoll wird es am Ende der vierstündigen Abnahme, als es im Schacht über 20 Metallleiter rund 100 Meter in die Höhe geht. „Immer nur einer auf der Leiter und maximal drei Leute auf den Ruhebühnen“, lautet die Sicherheitsansage. In der Winter- und aktuellen Regenzeit ist der Aufstieg eine feuchte Angelegenheit. Es tropft literweise von oben herab, was den ohnehin abenteuerlichen Charakter noch einmal verstärkt. Oben angekommen wird kurz durchgeschnauft und nach der Rückkehr im Zechenhaus das angegliederte Bergbaumuseum besichtigt. Die Abnahme kann durch Ralf Ukleja erteilt werden.

„Wenn man bedenkt, dass das alles hier größtenteils von Ehrenamtlichen geleistet wird, ist das eine besondere Würdigung und auch Dank wert“, sagt RP Ullrich beeindruckt von der Leistung des Trägervereins Geowelt Fortuna e. V. Über 35 Jahre ist das Besucherbergwerk geöffnet und hat sich seitdem immer weiterentwickelt. „Für Mittelhessen ist die Grube Fortuna eine sehr wichtige Attraktion, weil sie sowohl Schulklassen als auch deutsche wie internationale Touristen in unsere Region lockt“, ergänzt er. Empfehlenswert ist auch der Besuch des Feld- und Grubenbahnmuseums sowie der Grubengaststätte.

Vorstand Michael Volkwein weist auf die immense Bedeutung dieses Erbes der Industriekultur für Mittelhessen hin: „Unsere Grube ist nicht nur ein außerschulischer Lernort, in dem die industrielle Arbeitswelt hautnah und live erlebbar ist. Das Besucherbergwerk stellt auch eine wichtige Bereicherung des Lebensraums Mittelhessen dar, unverzichtbar für Freizeit und Naherholung sowie als positiver Standortfaktor für die Fachkräftegewinnung.“

1847 fand das Eisenerzvorkommen im späteren Abbaubereich erstmals Erwähnung in den Bergamtsakten. 1983 ist das Bergwerk nach 136 Jahren geschlossen worden. Heute fahren etwa 20.000 Besucherinnen und Besucher jährlich in das Besucherbergwerk ein, das auch als GeoInformationszentrum des Nationalen GEOPARK Westerwald-Lahn-Taunus fungiert. Außerdem ist es ein Teil der Route der Industriekultur Mittelhessen sowie der einzige hessische Ankerpunkt im Netzwerk Europäische Route der Industriekultur. Seit 1987 entstand auf dem Gelände das Feld- und Grubenbahnmuseum Fortuna (FGF) mit 60 Lokomotiven und über 100 Wagen. Darunter sind Feldbahn-, Grubenbahn- und Kleinbahnfahrzeuge. Jedes Jahr finden etwa zehn Fahrtage statt.

Tickets für das Besucherbergwerk lassen sich einfach und schnell unter grube-fortuna.de buchen. Informationen über die Aufgaben der Bergaufsicht im RP Gießen sind unter rp-giessen.hessen.de zu finden.

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Gruppenbild vor dem Stollenmundloch (v.l.): Michael Volkwein, Matthias Baum, Chris Freiling, Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich, Dietmar Czichowlass, Ralf Ukleja und Claus Morgenstern.

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Fachgespräch unter Tage während der vierstündigen Abnahme in der Grube Fortuna.

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RP-Mitarbeiter Ralf Ukleja erläutert Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich die Notwendigkeiten zur Ersten Hilfe.

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Im Frühjahr ist der Aufstieg über die 20 Leitern immer gerne feucht: Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich kurz vor dem Ziel.

Fotos: RP Gießen



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