Zehn Jahre Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in der Wetterau

Service
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU findet auch im Wetteraukreis seit vielen Jahren praktische Umsetzung. Im Haus der Umwelt trafen sich kürzlich der Fachdienstleiter Landwirtschaft des Wetteraukreises Hermann Götz, Kreislandwirt Michael Schneller sowie die Vertreter der Beratungsinstitutionen Dr. Matthias Peter (Ing. Büro Schnittstelle Boden) und Frank Lotz (Maschinenring Wetterau e.V.), um ein Resümee der vergangenen 10 Jahre zu ziehen.

Grundwasserschutz0911_jk.jpg

Es galt einen einheitlichen Ordnungsrahmen zum Schutz der Oberflächengewässer sowie des Grundwassers zu schaffen mit dem Ziel, europaweit einen guten Zustand aller Grund- und Oberflächengewässer zu erreichen. Kreisbeigeordneter und Landwirtschaftsdezernent Matthias Walther zeigte sich mit den vorgestellten Erfolgen und der stetig zunehmenden Wasserschutzleistung der Wetterauer Landwirtinnen und Landwirte sehr zufrieden.

Einleitend blickte Hermann Götz auf die lange Tradition des landwirtschaftlichen Grundwasserschutzes im Wetteraukreis zurück, die bereits in den 1990er Jahren im Rahmen einer kreisweiten Kooperation ihren Ursprung fand. Hieraus hat sich eine tragfähige Infrastruktur entwickelt, in deren Rahmen die beiden Beratungsinstitutionen im Auf­trag von 17 Wasserversorgern bis heute die grundwasserschutzorientierte landwirtschaftliche Beratung in 30 Wasserschutzgebieten im Wetteraukreis und den angrenzenden Gebieten sicherstellen. Als Träger in den verschiedensten Projekten und verlässliche Anlaufstelle für alle Beteiligte habe oftmals der Wetteraukreis fungiert. So sei es auch im Jahre 2012 selbstverständlich gewesen, dass der Landkreis dem Regierungspräsidium Darmstadt als Landesvertretung die Umsetzung der WRRL in der Region anbot, denn ebenso wie in den Wasserschutzgebieten habe die WRRL zum Ziel, mögliche Nitrat- und Phosphateinträge in die Gewässer durch eine gezielte landwirtschaftliche Wasserschutzberatung zu minimieren. Wichtige Synergien mit der Arbeit in den Wasserschutzgebieten seien hier zu erwarten und gewünscht gewesen, so Götz weiter.

Auch Kreislandwirt Michael Schneller hob die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre hervor. Als zentralen Bestandteil des Erfolges sieht er hierbei, dass die Landwirte sich freiwillig und vertrauensvoll unter oft hohem Kosten- und Zeitaufwand im Wasserschutz engagieren. Matthias Peter und Frank Lotz trugen anschließend Inhalte und Erfolge des zurückliegenden Beratungszeitraums zusammen.

„Schon zum Beratungsbeginn im Jahr 2012 umfasste der WRRL-Maßnahmenraum 72 Gemarkungen mit rund 800 Landbewirtschaftern der zentralen Wetterau zwischen Hungen und Frankfurt sowie zwischen Taunus und dem Büdinger Hügelland. Im Jahr 2018 erfolgte eine Erweiterung auf 83 Gemarkungen, wodurch auch die Anzahl der beratenen Landwirte auf rund 900 anstieg. Ebenso wurden die Maßnahmen um die Erosionsschutzberatung auf besonders gefährdeten Flächen ergänzt. Anders als die Wasserschutzgebietsberatung wirkt die Beratung im Zuge der WRRL somit flächenhafter auf Maßnahmenraumebene, welche aktuell rund 25.000 ha Ackerland sowie 4.800 ha Grünland umfasst“, leitete Frank Lotz ein.

Die Beratung

„Konkretes Ziel der Beratung ist es, dass alle Nährstoffe, insbesondere das verlagerungsgefährdete Nitrat, durch die angebaute Kultur optimal aufgenommen werden. So können Überschüsse und mögliche Emissionen in die Gewässer, aber auch in andere Ökosysteme minimiert werden“, fasste Matthias Peter zusammen. Dies erfordere zum einen eine genaue Bemessung des Nährstoffbedarfs der Kulturen, zum anderen aber auch eine gute Bewirtschaftung und sichere Erträge. Diese Sachverhalte seien selbstverständlich auch im Interesse der Landwirte, denn die Optimierung von Dünger als kostenintensive Betriebsmittel sowie die effiziente Umwandlung in Erträge seien Grundlage für die Produktion hochwertiger regionaler Lebensmittel, so Peter weiter.

Um die Landwirte hierbei zu unterstützen, werden sie mit verschiedensten Beratungsinstrumenten über das ganze Jahr begleitet. Bereits im Frühjahr wird der pflanzenverfügbare mineralische Bodenstickstoff (Nmin) an rund 800 Standorten im Kreisgebiet durch eine Bohrung bis 90 Zentimeter Tiefe untersucht. Neben diesen gemessenen Nmin-Werten berücksichtigen die Berater aber noch weitere Stickstoffquellen, welche durch eine hohe Bodengüte, besondere Vorjahreskulturen oder durch organische Dünger in den Vorjahren begründet sein können. Auf Basis dieser Informationen, Bestandsbegutachtungen und Witterungsbeobachtungen erhalten alle Landwirte somit zu Vegetationsbeginn eine erste Düngeempfehlung.

„Eine erste Frühjahrs-Empfehlung ist jedoch nur ein Teil der Beratung. Weiterer zentraler Bestandteil sind vegetationsbegleitende Düngeberatungen zu Weizen, Gerste oder Mais im April, Mai und Juni. Durch Messungen des Chlorophyllgehaltes bzw. Pflanzensaftuntersuchungen können hier verlässliche Aussagen zum aktuellen Versorgungszustand der Kulturen getroffen werden und mögliche Ergänzungsdüngungen wasserschutzfachlich bemessen werden“, erläuterte Frank Lotz.

Aber auch nach der Ernte erwarten Landwirte und Berater erneut wichtige Wasserschutzaufgaben. Zum einen kann es auch bei wasserschutzfachlich optimierter Bewirtschaftung durch Trockenheit oder Krankheitsdruck zu schwachen Ernten und somit Nährstoffüberhängen kommen, zum anderen besitzen die fruchtbaren Wetterauer Lösslehmstandorte selbst ohne jede Düngung in ihrer Krume bis 30 Zentimeter Tiefe einen natürlichen Gehalt von rund 5.000 Kilogramm organisch gebundenem Stickstoff je Hektar. Dies ergaben aktuelle Untersuchungen im Rahmen der Beratung. Ein Teil hiervon kann bei Wiederbefeuchtung und Durchlüftung nach der Ernte durch Mikroorganismen in potenziell verlagerbaren mineralischen Stickstoff (Nitrat) umgewandelt werden.

Matthias Peter wies darauf hin, dass in diesem Zusammenhang eine reduzierte Bodenbearbeitung nach der Ernte, aber insbesondere der Nachbau von Kulturen mit hoher Stickstoffaufnahme unverzichtbar sei, um Reststickstoff nach der Ernte in Pflanzenmasse zu binden. In manchen Fällen folge nach der Ernte erst im darauffolgenden Frühjahr die Saat der eigentlichen Kultur, wie Zuckerrübe oder Mais. Vor solchen sogenannten „Sommerungen“ sei der Anbau einer „Zwischenfrucht“ von großer Bedeutung. Mischungen mit lila blühender Phacelia und Klee oder gelb blühendem Senf speicherten nach der Ernte bis zu 100 Kilogramm Nitrat pro Hektar freiwerdende Rest-Stickstoffmengen und verhinderten dessen Verlagerung über die winterliche Sickerwasserperiode.

„Nach dem Abfrieren der Zwischenfrüchte über Winter stehen dann Stickstoff und viele andere Nährstoffe den folgenden Sommerungen wieder zur Verfügung. Nicht nur für den Gewässerschutz, sondern auch für den Bodenschutz und die Bodenfruchtbarkeit haben diese Zwischenfrüchte einen enormen Nutzen“, bekräftigte Peter. Gegenwärtig werden im Maßnahmenraum schätzungsweise rund 50 Prozent aller möglichen Flächen begrünt. Dies sei den Landwirten hoch anzurechnen, doch seien weitere Steigerungen möglich.

Organische Dünger und Wasserschutz

„Ein weiteres wichtiges Beratungsthema stellen die organischen Dünger da“, führte Frank Lotz weiter aus. Zwar falle nur relativ wenig Gülle und Mist aus den wenigen verbliebenen Tierhaltungsbetrieben im Maßnahmenraum an, doch mit dem wichtigen Ziel geschlossener Nährstoffkreisläufe und dem Bedarf an regenerativer Energie würden kommunale Bioabfallkomposte, Klärschlämme sowie Gärreste aus Biogasanlagen als wertvoller Mehrnährstoffdünger auf landwirtschaftlichen Flächen im Maßnahmenraum eingesetzt. Bei diesen Düngern seien große Anteile des Stickstoffs zunächst organisch gebunden und würden erst mit Verzögerung pflanzenverfügbar. Genaue Analysen, Informationen zur Stickstofffreisetzung und Verteilpläne hätten in den vergangenen Jahren erheblich dazu beigetragen, dass organische Dünger optimiert eingesetzt werden. Die Pflanzen können die frei werdenden Nährstoffe besser verwerten, was zu einer klaren Verminderung der Herbst-Nmin-Werte auf organisch gedüngten Flächen geführt habe. Kreisweite Arbeitskreise zu den Themen Kompost und Gärrest würden zudem im Rahmen der WRRL-Beratung jährlich Landwirte, Betreiber von Kompost- und Biogasanlagen sowie Fachbehörden zusammenführen und zu einem optimierten Nährstoffmanagement im Sinne des Wasserschutzes beitragen.

Erfolgreiche Erreichung der WRRL-Ziele

„Wie in den Wasserschutzgebieten wird auch im Rahmen der WRRL-Beratung der Erfolg anhand bestimmter Parameter gemessen“, griff Matthias Peter das wichtige Thema auf. Diese seien im Rahmen der WRRL hessenweit einheitlich durch die Stickstoff- und Phosphor-Bilanzen repräsentativer Leitbetriebe definiert. Vereinfacht gesagt würde hier bilanziert, welche Mengen der genannten Nährstoffe durch Düngereinkauf, aber auch Saatgut oder Tiere auf den Betrieb gelangen bzw. diesen durch Erntegut, Gülle oder Tierverkauf wieder verlassen. Schon allein dieser rechnerische Bilanzwert belege, wie erfolgreich die intensive Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Beratung zu einer verbesserten Nährstoffeffizienz beigetragen habe. Hätten beispielsweise die mittleren N-Salden dieser sogenannten Hoftorbilanz im ersten Beratungsjahr 2013 noch einen mittleren Überschuss von 37 Kilogramm Nitrat pro Hektar ausgewiesen, lag dieser 2019 nur noch bei 4 Kilogramm Nitrat pro Hektar.

„Dieser Erfolg wird zudem durch einen weiteren wichtigen Erfolgsparameter, nämlich die jährlichen Untersuchungen des mineralischen Stickstoffs im Herbst belegt“, führte Frank Lotz weiter aus. Im Herbst 2020 wurde mit einem Mittelwert von 56 Kilogramm Nitrat pro Hektar der geringste Herbstwert seit 2012 gemessen. Über diese Entwicklung freue man sich besonders, da dieser Wert zwar erheblich durch eine grundwasserschutzoptimierte Bewirtschaftung gering gehalten werden kann, jedoch auch durch Witterungsextreme wie Trockenphasen beeinflusst wird.

Im Dezember 2021 beginnt die Umsetzungsphase des 3. Bewirtschaftungsplanes, deren Laufzeit bis Ende 2027 geplant ist. „Unter den Beteiligten herrscht Einvernehmen, dass die Ergebnisse auch im zukünftigen Beratungszeitraum zu konsolidieren sind. Die bisherigen Erfolge sind beachtlich und erfreulich. Besonders beim Herbstwert ist dennoch eine weitere Senkung des Nitratgehalts pro Hektar anzustreben. Hier werden wir unsere Landwirtinnen und Landwirte seitens des Wetteraukreises weiterhin nach besten Kräften beratend unterstützen.“, so Kreisbeigeordneter und Landwirtschaftsdezernent Matthias Walther.

Foto (von links): Frank Lotz (Maschinenring Wetterau), Dr. Matthias Peter (Ingenieurbüro „Schnittstelle-Boden“), Kreisbeigeordneter Matthias Walther, Kreislandwirt Michael Schneller und Hermann Götz Leiter des Fachdienstes Landwirtschaft in der Kreisverwaltung Wetterau



PS: Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von WETTERAU.NEWS!

online werben