Interview: Zehn Jahre Pflegestützpunkte im Kreis

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Vor zehn Jahren wurde der erste Pflegestützpunkt im Wetteraukreis eingerichtet. Getragen wird er gemeinsam von den Pflegekassen und den Kommunen. Hier im Wetteraukreis ist die AOK der Kooperationspartner. Seinen Sitz hat der erste Pflegestützpunkt im Wetteraukreis in Büdingen.

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Aufgrund der großen Nachfrage wurde 2018 ein zweiter Pflegestützpunkt eingerichtet, er hat seinen Sitz in Friedberg in der Pfingstweide. Knapp 20.000 Beratungen wurden seit Gründung des Pflegestützpunktes trägerunabhängig geführt.

Wie Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch mitteilte, wird der Schwerpunkt der Pflege in den Familien erbracht. Rund 14.000 Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, leben im Wetteraukreis. Mehr als drei Viertel, genau 76,3 Prozent oder 10.672 (Zahlen von 2017, neuere gibt es derzeit nicht), werden zu Hause versorgt, entweder durch pflegende Angehörige oder bzw. in Ergänzung durch Pflegedienste.

Im Wetteraukreis bieten derzeit rund 40 Pflegedienste mit knapp 1.000 Beschäftigten ihre Dienste an. In den Pflegeheimen werden derzeit rund 3.300 Menschen vollstationär versorgt. Die 46 Pflegeheime haben insgesamt rund 2.700 Beschäftigte. „Deutlich wird damit auch, dass immer noch die Familien einen großen Teil der Lasten tragen. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir mit unseren Angeboten der Pflegestützpunkte die Familien so gut es geht entlasten und mit Beratungen vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten anbieten“, sagte Erste Kreisbeigeordnete Stephanie Becker-Bösch.Wir haben mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pflegestützpunktes über ihre Arbeit gesprochen.

Von Anfang an dabei sind Christina Keller (WK) und Armin Auth (AOK), im vergangenen Jahr kamen mit der Einrichtung des Pflegestützpunktes in Friedberg Anja Tröger (AOK) und Marlon Albert (WK) hinzu. Die fachliche Leitung obliegt Franziska Jahn, die die Fachstelle Leben im Alter in der Kreisverwaltung Wetterau leitet.

Frage: Welche Aufgaben hat ein Pflegestützpunkt?

Christina Keller: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegestützpunktes beraten in allen Fragen. Wir unterstützen Menschen in allen Angelegenheiten, die die Pflegekassen betreffen oder auch das Versorgungsamt. Wir helfen Anträge auszufüllen für Menschen, die selber dazu nicht in der Lage sind. Aber auch Menschen, die jetzt in einen Pflegegrad eingestuft werden und dazu Fragen haben: Welche Leistungen kann ich in Anspruch nehmen? Wie funktioniert ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse? Wie organisiere ich die Pflege durch einen Ambulanten Pflegedienst oder einen Hauswirtschaftsdienst?

Frage: Für wen ist der Pflegestützpunkt da?

Armin Auth: Wir sind die erste Anlaufstelle für alle Fragen von pflegebedürftigen Menschen, von pflegenden Angehörigen, von Menschen mit Behinderung sowie von Menschen, die von Behinderung und Pflegebedürftigkeit bedroht sind. Das Besondere dabei, die Pflegestützpunkte beraten trägerneutral und kostenlos. Wir informieren unabhängig und verbraucherorientiert und kommen auf Wunsch auch nach Hause.

Christina Keller: Betreiber der Pflegestützpunkte sind die Landkreise und die Pflegekassen, die sich personell und finanziell an den Pflegestützpunkten beteiligen. In unserem Fall, im Wetteraukreis, ist das die AOK. Bei der Beratung spielt es jedoch keine Rolle, welcher Krankenkasse der zu Beratende angehört.

Frage: Was ist denn Inhalt der Beratung durch die Pflegestützpunkte?

Marlon Albert: Allgemeine Fragen der Pflegeversicherung, also der Pflegebedürftigkeit und die festgelegten Pflegegrade, zu denen es oft ganz unterschiedliche Einschätzungen gibt. Der Medizinische Dienst der Krankenkasse schätzt im Auftrag der Pflegekassen den Pflegegrad ein. Wir unterstützen bei Fragen des Widerspruchs, wir beraten aber auch, wenn es um Fragen der Pflege selbst geht, also welche Pflegeeinrichtungen gibt es ambulant und stationär? Da können wir Informationen zusammenstellen für Menschen, die nicht wissen, welche Angebote es gibt.

Frage: Gibt es bei solchen Listen auch ein Ranking?

Marlon Albert: Nein. Wir beraten völlig neutral. Wir stellen nur die Angebote dar, die es gibt ohne einen Anbieter oder eine Einrichtung zu empfehlen. Wir hören den Angehörigen und Pflegebedürftigen genau zu und versuchen, maßgeschneiderte Angebote zu finden.

Frage: Wie muss ich mir das konkret vorstellen?

Marlon Albert: In der Regel wollen die meisten Pflegebedürftigen und deren Angehörige eine wohnortnahe Betreuung. Also stellen wir zunächst einmal die Einrichtungen vor, die wohnortnah sind.

Es gibt aber auch besondere Bedürfnisse. Ich nenne einmal ein Beispiel: Ein Pflegebedürftiger war früher Musiklehrer und hat immer noch Interesse an Musik. Dann schauen wir, ob es Einrichtungen gibt, die vielleicht nicht am Wohnort sind, aber z.B. musikalische Angebote anbieten. Dann können die Betroffenen selbst entscheiden, was ihnen wichtig ist.

Christina Keller: Für unsere Ratsuchenden ist es natürlich auch wichtig, welcher Personenkreis in den jeweiligen Einrichtungen lebt. Es gibt Einrichtungen, in denen viele Menschen noch sehr mobil sind und andere Einrichtungen, in denen überwiegend Personen leben, die kaum noch das Bett verlassen können. Da gibt es natürlich weniger Aktivitätsprogramme.

Frage: Wie kommen Sie zu solchen Informationen?

Christina Keller: Da kommt unsere Netzwerkarbeit ins Spiel. Wir haben im Rahmen unserer Arbeit alle Einrichtungen besucht und setzen diese Besuche natürlich auch regelmäßig fort. Dadurch lernen wir die Einrichtungen kennen und können solche zusätzlichen Informationen sammeln.

Frage: Wie kommen die Bürgerinnen und Bürger an diese Informationen ohne Sie direkt zu fragen?

Christina Keller: Wir haben in der Vergangenheit mehrmals eine Pflegebroschüre herausgegeben. Das wird in Zukunft digital erfolgen. Wir haben alle Einrichtungen aufgefordert, in wenigen Worten zu beschreiben, was sie besonders macht, damit sich Interessierte schnell einen Überblick und ein Bild von den Angeboten machen können.

Foto: Das Team des Pflegestützpunktes (von links) Anja Tröger, Marlon Albert, Christina Keller, Armin Auth, Franziska Jahn und Sozialdezernentin Stephanie Becker-Bösch.



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