IHK: Innenstädte zu Begegnungsorten gestalten

Politik
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„Das Gesicht vieler Innenstädte und Stadtteilzentren verändert sich, die Krise der Innenstädte hat sich nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie weiter verschärft“, erklärte IHK-Präsident Rainer Schwarz auf der Podiumsdiskussion der IHK Gießen-Friedberg im Plenarsaal der IHK in Gießen.

Auch das Gesicht der Stadt Gießen verändert sich seit vielen Jahren, allerdings sehr zum positiven, wie IHK-Vollversammlungsmitglied und geschäftsführender Gesellschafter des Schuhhauses Darré, Heinz-Jörg Ebert, in seinem Impulsvortrag unterstreicht: „Wir sind in Gießen über unsere Business Improvement Districts extrem aktiv und das alles in Bereichen wie Freiflächengestaltung oder Veranstaltungen, die in Hessen Zukunft schreiben.“

So seien Eingangsschilder zur Stadt neugestaltet, Müllansammlungen entsorgt und der Seltersweg über Veranstaltungen, Lichtkonzepte und ein Wasserspiel zu einer der meistfrequentierten Einkaufsstraßen in Städten unter 100.000 Einwohnern in Deutschland geworden. Unter dem Titel „Zukunft der hessischen Innenstädte und Zentren“ hatte die IHK Politikerinnen und Politiker aller im Hessischen Landtag vertretenen Parteien zu einer Podiumsdiskussion in die Geschäftsräume der IHK Gießen-Friedberg eingeladen.

Im Hinblick auf den Gießener Verkehrsversuch unterstrich der BID-Vorsitzende Ebert, dass dieser erst ab Oktober beurteilt werden könne, wenn der eigentliche Versuch starte. Diese Geduld werde man – zumindest von Seiten der BIDs – aufbringen. Wesentlich sei allerdings eine verbesserte Kommunikation und eine Erklärung, dass Gießen jetzt in einer „mühsamen Einrichtungsphase“ sei.

Lokal einkaufen
„Für die Zukunft der Innenstädte kommt es auf jeden Einzelnen an“, sagte Carsten Jens, Moderator und Chef vom Dienst bei hr-Info. Wenn man nicht lokal einkaufe, wirke sich das auf die Verödung aus wie ein Brandbeschleuniger. René Rock, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, befürwortete in diesem Zusammenhang planbare und besondere Events, um Menschen in die Innenstädte zu locken, sodass Events und Einkauf Hand in Hand gingen. Oft scheiterten solche Veranstaltungen mit geplanten Ladenöffnungen jedoch an kurzfristigen rechtlichen Verfügungen – und die Geschäfte hätten sich umsonst aufwändig vorbereitet. „Wir brauchen mehr Planbarkeit mit Blick auf die rechtliche Lage“, fordert der FDP-Politiker, der auch selber über 25 Jahre in einem Gewerbeverein aktiv war.

Weniger Frequenz in den Zentren
Mit der Corona-Pandemie hat sich der Trend zum mobilen Arbeiten und damit zu weniger Frequenz in den Innenstädten nochmals verstärkt, auch das spüren die Geschäftsleute in den Zentren deutlich. Wird sich dieser Trend nochmals umkehren? „Der Geist ist aus der Flasche, und wir bekommen ihn nicht wieder hinein“, erklärte AfD-Vorstandssprecher Andreas Lichert. Er sieht die Stadt der Zukunft als eine Plattform für Wohnen, Einkaufen und Erleben, darüber hinaus gehöre jedoch auch wieder mehr Produktion in die Zentren. „Es gab zu viele Entscheidungen zu Lasten der Innenstädte, gerade in der Verkehrspolitik.“

Stadtleben mit vielen Gesichtern
„Die Stadt der Zukunft wird eine Mischung aus Handel, Gastronomie, Arbeit und Wohnen beinhalten. Auch soziales Zusammensein und kultureller Austausch werden eine wichtige Rolle einnehmen, der Innenstadtbesuch zum Erlebnis werden“, erklärte IHK-Präsident Schwarz. An Ideen und Beispielen mangelte es nicht in der Podiumsdiskussion, so etwa einheitlich gestaltete Schirme in der Außengastronomie im Gießener Seltersweg, dem Service Point im Kasseler Kaufhaus Galeria mit Angeboten der Stadt Kassel und von städtischen Unternehmen oder ein kombiniertes Verkehrsmodell in der Innenstadt. So könne die Erreichbarkeit des Einzelhandels unter der Woche erste Priorität haben, am Wochenende könnte ein touristisches Verkehrskonzept mit hoher Fahrradmobilität greifen.

„Durch Leerstände entstehen neue Konzepte“, sagte Katrin Schleenbecker, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen. In Gießen sei beispielsweise ein ehemaliges Kino zum Hörsaal für die Technische Hochschule Mittelhessen geworden und werde gut genutzt. „Die Beteiligung aller Akteure im jeweiligen Quartier ist dabei unabdingbar für das Gelingen von Transformationsprozessen.“

Für eine hohe Frequenz in den Zentren ist auch die Erreichbarkeit ein bedeutsames Anliegen. „Wenn ich etwas kaufe, frage ich mich doch, kann ich das per öffentlichem Nahverkehr transportieren?“, erklärte Michael Ruhl, CDU, der den Vogelsbergkreis im Hessischen Landtag vertritt. „Und kann es funktionieren, wenn ich bestimmte Verkehrsmittel ausschließe?“

Dass in diesem Zusammenhang das Landesprogramm „Zukunft Innenstadt“ gute Voraussetzungen für einen Dialog mit allen Beteiligten schafft, war allen Politikern wichtig. „Innenstädte haben die Chance, die sozialen Marktplätze für unsere Gesellschaft zu werden. Dazu braucht es verlässliche und kontinuierliche Unterstützung des Landes für die Städte“, unterstrich Tobias Eckert, SPD-Landtagsabgeordneter. Ebenfalls einig waren sich die Politiker zur Frage, ob der während der Pandemie reduzierte Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie auf 7 Prozent weiterhin gelten solle. Dass auch ein weiterhin reduzierter Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie ein Stück Zukunftssicherung der Innenstadt ist, war unstrittig. Alles andere wäre grundfalsch, zeigten sich die Politiker überzeugt.

Info-Überblick
Was tun die Industrie- und Handelskammern?
Der Hessische Industrie- und Handelskammertag (HIHK) ist Partner des „Bündnis für die Innenstadt“ und setzt sich für unsere Innenstädte ein. Das „Bündnis für die Innenstadt“ wurde im Dezember 2020 im Rahmen des Landesprogramms „Zukunft Innenstadt“ gegründet. Ziele sind die Bereitstellung von Fördermitteln zu Attraktivitätssteigerung der Innenstädte sowie die Kooperation und Vernetzung der verantwortlichen Akteure. Außerdem unterstützen die IHK-Berater Kommunen und Initiativen bei Fragen aller Art zum Thema Innenstadt. Die IHKs informieren über Fördermöglichkeiten und Aktionen wie „Ab-in-die-Mitte“, einem Landeswettbewerb zur Förderung der Innenstadt. Durch die Aktion „Heimatshoppen“ sensibilisieren und motivieren die IHKs die Menschen, bei ihren Händlern vor Ort zu kaufen. Mit dem Audit „Ausgezeichneter Wohnort für Fachkräfte“ sollen Kommunen angespornt werden, die Lebens- und Wohnqualität zu erhöhen.



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