Brexit-Folgen: Landesregierung wirbt für Finanzplatz Frankfurt

Hessen
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47 Jahre war Großbritannien Mitglied der Europäischen Union.

In dieser Zeit war Großbritannien einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands, aber auch Freund und Verbündeter mit gemeinsamen Interessen im Bereich des Welthandels, der Sicherheitspolitik und bei der Ausgestaltung von Sachfragen der EU. Nach dem Brexit und dem zäh verhandelten Austrittsabkommen sind die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien neu geordnet. Das hat Auswirkungen auf das deutsch-britische Verhältnis, es schafft aber auch eine neue Ausgangslage im innereuropäischen Standortwettbewerb. Hessen hat deshalb eine Bundesratsinitiative eingebracht, die viele Aspekte davon aufgreift und die Bundesregierung auffordert, sich innerhalb der EU aktiver für Standorte in Deutschland einzusetzen.

„Nach dem Brexit fangen unsere Beziehungen mit dem Vereinigten Königreich nicht bei null an, sondern beiden Seiten sind weiterhin an guten und intensiven Beziehungen interessiert“, betonte Hessens Europaministerin Lucia Puttrich heute in ihrer Rede im Bundesrat. Dennoch haben sich die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich bereits spürbar geändert. Die wirtschaftlichen Hoffnungen, die sich viele Brexit-Befürworter gemacht haben, erfüllen sich nicht. Auch für Deutschland und die EU verliert das Vereinigte Königreich zunehmend an ökonomischer Bedeutung.

„Schon in diesem Jahr könnte Großbritannien aus den TOP 10 der wichtigsten Handelspartner für Deutschland rutschen. Damit verbunden sind nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen vor allem in Großbritannien, sondern wir befürchten auch bei Umwelt- oder Arbeitsstandards sowie im Bereich der Bürokratie ein zunehmendes Auseinanderdriften. Das müssen wir gemeinsam verhindern, denn eine Rückkehr des Vereinigten Königreiches in die EU sollte unser aller Ziel bleiben“, sagte Lucia Puttrich in ihrer Bewertung zum Sachstand des Brexit.

Dennoch muss sich Deutschland auf die neuen Herausforderungen in einer EU ohne Großbritannien einstellen. Es geht um Ansiedlungen von Behörden und Unternehmen, die Verbesserungen von Standortfaktoren und die globale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarktes. „Wir haben uns mit dem europäischen Binnenmarkt etwas Besonderes geschaffen und wir haben gemeinsam davon profitiert. Egal wie sehr wir uns aber auf den Binnenmarkt konzentrieren, deutsche und europäische Unternehmen müssen auch im globalen Wettbewerb bestehen können. In den letzten 20 Jahren ist der deutsche und europäische Anteil bei den TOP 1000 Unternehmen in der Welt stetig gesunken. Wenn dieser Trend gestoppt werden soll, müssen wir die Stärke unseres Binnenmarktes auch dazu nutzen, besonders gute Standortbedingungen für global agierende Unternehmen zu ermöglichen. Nur so können wir zum Beispiel im Bereich Lieferketten, Nachhaltigkeit und weltweite Arbeitsbedingungen unsere Werte und Standards behaupten“, erklärte die Europaministerin.

Derzeit bietet der Finanzplatz Frankfurt genau diese hervorragenden Standortbedingungen. Er ist nicht nur logistisch mit dem Flughafen, sondern auch technologisch über den größten Internetknotenpunkt Europas hervorragend mit der Welt verbunden. In der digitalisierten Welt der Zukunft ist das ein unschätzbarer Vorteil. Der Sitz der EZB und der Europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA, die Innovationskraft unseres Standortes und auch die Qualität der oft international ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen darüber hinaus für die Mainmetropole. „Das Anliegen unseres Antrages ist es, diesen Standortvorteil weiter auszubauen. Wir haben uns zum Beispiel seit langem für die Ansiedlung einer der „Anti-Money Laundering Authority (AMLA)“, der EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, eingesetzt. Wir sind der Bundesregierung dankbar, dass sie kürzlich auch ganz offiziell ihre Unterstützung für diese wichtige Standortfrage bekundet hat. Dabei war es allerdings nicht gerade hilfreich, dass fast zeitgleich eine Hausdurchsuchung im Bundesfinanzministerium stattfand - gerade wegen Versäumnissen im Bereich der Geldwäschebekämpfung. Ja, wir machen uns Sorgen, welche Auswirkungen dies auf unsere Bewerbung haben wird, denn von Seiten der EU-Kommission wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Deutschland Defizite im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung habe. Gerade deshalb ist jetzt Entschlossenheit im Kampf gegen Geldwäsche nötig“, erläuterte Lucia Puttrich.

Der Antrag mit der Drucksache BR-Drs. 613/21 wurde heute vorgestellt. Nach einer Befassung der zuständigen Ausschüsse steht der Antrag in einer der nächsten Sitzungen des Bundesrates zur Abstimmung.



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