Tag für Betroffene von Hasskriminalität

Hessen
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Seit November 2019 besteht die durch die Hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) gegründete Kooperation #KeineMachtdemHass zwischen der hessischen Justiz und zivilgesellschaftlichen Akteuren und Medien.

Inzwischen engagieren sich neben den Partnern aus der Zivilgesellschaft HateAid, ichbinhier und „Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung“ auch die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien, die Universität Kassel sowie die Medienpartner HIT RADIO FFH, Extra Tip und Hessischer Rundfunk gegen Hass und Hetze im Netz.

Im Vorfeld des Internationalen Tags für Betroffene von Hasskriminalität / Aktionstag gegen Hasskriminalität am 22. Juli, bei dem die Kooperation #KeineMachtdemHass mit unterschiedlichen Aktionen auf die Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz aufmerksam macht, äußerte sich Eva Kühne-Hörmann zu rechtspolitischen Initiativen bei der Bekämpfung von Hass und Hetze. „Trotz aller Erfolge, die wir mit der Kooperation #KeineMachtdemHass erreichen konnten, geben uns die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der ZIT regelmäßig die Rückmeldung, dass eine Identifizierung der Täter von Hate Speech häufig nicht möglich ist. Bei Straftaten, die mittels Internet begangen werden, stellt die IP-Adresse des Täters regelmäßig den einzigen, immer aber den ersten, effizientesten und schnellsten Ermittlungsansatz dar. Ohne die Zuordnung der IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber laufen die Ermittlungen wegen Hate Speech weitgehend ins Leere, weil keine anderen Spuren vorhanden sind. Der Ermittlungsansatz „IP-Adresse“ kann durch keinen alternativen Spurenansatz ersetzt werden. Ich fordere, dass mit der Vorratsdatenspeicherung die Ermittler die Möglichkeit erhalten, zumindest schwere Fälle von Hasskriminalität über die IP-Adresse der Täter aufzuklären“, sagte die Justizministerin.

„Ohne die Vorratsdatenspeicherung geht auch das erst kürzlich beschlossene Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität an einer entscheidenden Stelle ins Leere. Soziale Netzwerke müssen strafbare Postings künftig nicht mehr nur löschen, sondern in bestimmten schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden, damit die strafrechtliche Verfolgung ermöglicht wird. Um Täter schnell identifizieren zu können, müssen soziale Netzwerke dem BKA dann neben dem Hassposting auch die IP-Adresse und Port-Nummer, die dem Nutzerprofil zuletzt zugeteilt war, mitteilen. Diese Meldepflicht ist aber ein zahnloser Tiger, wenn über die IP- und Portdaten keine Identifikation der Anschlussinhaber möglich ist“, so die Justizministerin abschließend.

Zum Hintergrund
Für die Bekämpfung von Hate Speech wird die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, also die rückwirkende Zuordnung von krimineller Hetze zum Urheber durch die grundrechtsschonende Nutzung von Verkehrsdaten, besonders dringend benötigt. Verkehrsdaten sind Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Dies sind solche Informationen, die ohne Bezugnahme auf Inhalte mit einer bestimmten Nachrichtenverbindung im äußeren Zusammenhang stehen und diese Verbindung aus technischer oder formaler Sicht näher charakterisieren. Nach dem datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datensparsamkeit müssen die Telekommunikations(TK-)unternehmen Verkehrsdaten, die sie nicht zur Entgeltberechnung oder Störungsbeseitigung benötigen, unverzüglich löschen. Daher wurde das Instrument der Vorratsdatenspeicherung (VDS) geschaffen, also die Verpflichtung für TK-Unternehmen, Verkehrsdaten, die sie eigentlich löschen würden, für einen bestimmten Zeitraum zum Zwecke der Strafverfolgung vorsorglich, d.h. von allen Nutzern ohne konkreten Straftatenverdacht („auf Vorrat“) zu speichern. Die verdachtsunabhängige Speicherverpflichtung ist dabei im Telekommunikationsgesetz (§§ 113 a–113 g TKG) geregelt, während die Möglichkeit des Datenabrufs durch die Strafverfolgungsbehörden, die immer verdachtsabhängig erfolgt, in § 100g StPO geregelt ist.

Die VDS ist in Deutschland zum 1. Juli 2017 wiedereingeführt worden. Dennoch findet derzeit eine VDS faktisch nicht statt, u.a. weil bei dem BVerfG ein Verfahren über die Verfassungs- und Europarechtskonformität der Regelungen zur VDS anhängig ist und die Bundesnetzagentur derzeit auf die Durchsetzung der Speicherverpflichtung durch die Provider verzichtet. Ohne VDS können jedoch Straftaten im Internet oft nicht aufgeklärt werden, weil die durch den Provider immer nur zeitweise nacheinander an verschiedene Kunden vergebene IP-Adresse für einen zurückliegenden Tatzeitpunkt nicht mehr dem Täter zugeordnet werden kann. Bei Straftaten, die mittels Internet begangen werden, stellt die IP-Adresse des Täters regelmäßig den einzigen, immer aber den ersten, effizientesten und schnellsten Ermittlungsansatz dar. Ohne die Zuordnung der IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber laufen die Ermittlungen wegen Hate Speech weitgehend ins Leere, weil keine anderen Spuren vorhanden sind. Ohne Vorratsdaten ist eine effektive Verfolgung von Hate Speech nicht möglich. Der Ermittlungsansatz „IP-Adresse“ kann hier durch keinen alternativen Spurenansatz ersetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die VDS ausdrücklich für sinnvoll erachtet und nur die seinerzeitige Umsetzung beanstandet: „Eine Rekonstruktion gerade der Telekommunikationsverbindungen ist daher für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung.“ (BVerfG NJW 2010, 833)

Alle Praktiker, voran der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, fordern die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. In vielen Fällen ist der einzige Hinweis auf den Täter die IP-Adresse seines Computers. Allein im Jahr 2017 konnten beim BKA über 8000 Hinweise auf Kinderpornografie nicht weiter ermittelt werden. Dadurch bleibt täglich stattfindender Kindesmissbrauch unentdeckt, die Opfer werden im Stich gelassen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 6. Oktober 2020 entschieden, dass die Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung schwerer Kriminalität auch für IP-Adressen möglich ist. In der Urteilsbegründung erkennt der Gerichtshof ausdrücklich an, dass im Falle einer online begangenen Straftat die IP-Adresse das einzige Ermittlungsmittel sein kann, dass es ermöglicht, einen Täter zu identifizieren.



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